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Predigt zur Eröffnung der Fastenaktion

Mitverantwortung für die Welt – gerade aus dem Glauben heraus

15.02.2013 | Bischofsbevollmächtigter Gothart Magaard
13. Februar 2013 – Christianskirche in Hamburg-Ottensen – Predigt zur Eröffnung der Fastenaktion "Sieben Wochen mit Produkten aus Fairem Handel und aus der Region" Predigttext: Mt 6,16–21: „Denn wo Dein Schatz ist, da ist auch Dein Herz“

Liebe Schwestern und Brüder,

„Tu Gutes und rede darüber!“ Das ist die Predigt der Werbeleute und PR-Strategen. Trau Dich. Zeige Dich. Versteck Dich nicht mit deinen Gaben. Mit dem, was Du hast und kannst. Stell Dein Alleinstellungsmerkmal heraus. Die Welt und das Leben ist ein einziger großer Markt, und wer nicht wirbt, der stirbt. Tu Gutes und rede darüber!

Aber dann meldet sich Widerspruch: „Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer dreinsehen wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Gesicht, um sich vor den Leuten zu zeigen mit ihrem Fasten. Wahrlich ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.“

Jesus spricht Klartext. Frömmigkeit taugt nicht zur Selbstdarstellung, und wer sie dazu missbraucht, lügt sich selbst in die Tasche. Frommes Fasten kann und darf nicht dazu dienen, um in den Augen der Anderen Beifall und Anerkennung zu finden. Es taugt nicht zur demonstrativen Zeigegeste – und wenn es dazu verkommt, wird alles falsch. Nein, die Empfehlung von Jesus lautet:

Tut Gutes unerkannt und betet im Verborgenen. „Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, damit du dich nicht vor den Leuten zeigst mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, der im Verborgen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.“

Jesus zeigt in der Bergpredigt auf, wie Frömmigkeit zur Masche werden kann: Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Fasten, aber auch Almosen und Gebet werden in ihr Gegenteil verkehrt, wenn der berechnende Blick nach außen geht. Wenn das Ich auf die Bühne tritt, um ein auf Wirkung bedachtes frommes Schauspiel in Szene zu setzen. Damit wird vor Gott alles sinnlos. Dann, so sagt es Jesus „hat man seinen Lohn schon gehabt“.

Wenn wir genau hinhören, dann muss uns dieses Jesuswort am heutigen Abend erst einmal nachdenklich machen. Immerhin ist dieser Gottesdienst ja der Auftakt zu einer Aktion, von der wir hoffen, dass sie öffentlich wirksam wird und Aufmerksamkeit bei den Menschen findet. Tu Gutes und rede darüber. Lebe „7 Wochen mit Produkten aus Fairem Handel und aus der Region“.

Müssen wir uns angesichts dieser Worte der Bergpredigt nicht fragen lassen: Warum planen wir eigentlich als Kirche, als Kirchengemeinde oder kirchliche Institutionen solche öffentlichen PR-Aktionen? Und ich muss mich fragen lassen: Warum habe ich mich bereit erklärt, in den kommenden vierzig Tagen wöchentlich über meine Erfahrungen mit diesem Vorhaben zu berichten, mich von Produkten aus Fairem Handel und aus der Region zu ernähren?

Es gibt auch eine fromm daher kommende kirchliche Eitelkeit, die manchmal im Hintergrund stehen mag. Das nimmt den Themen aber nichts von ihrer Wichtigkeit: Klimaschutz und Bewahrung der Schöpfung, Gerechtigkeit vor der eigenen Haustür und für die Menschen jenseits des Meeres und so vieles mehr – wer könnte auf die Idee kommen, dass hier nichts zu tun oder zu sagen wäre.

Doch die Art und Weise, das Daherkommen kann unterschiedlich sein: Und da beobachte ich hin und wieder an uns schon einen leicht erhobenen Zeigefinger: Schaut her, wir haben’s begriffen und machen’s besser. Aber: Wer auf der Bühne steht, läuft Gefahr, nur noch herabzusehen und zu meinen, er habe nun den Überblick und müsse allen anderen zeigen, wo es langgeht.

Aber was bedeutet das nun? Alle öffentlichen Termine absagen? Die Plakate einstampfen, die Homepage vom Netz nehmen?

Das wäre nur die halbe Wahrheit. Und auch nur die halbe Bergpredigt. Denn ein paar Sätze vor den Versen zum Fasten sagt Jesus: „Ihr seid das Licht der Welt. Man zündet auch nicht ein Licht an und stellt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter. So lasst Euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“

Christsein ist keine folgenlose Innerlichkeit. Christ sein muss erkennbar sein. Zu ihm gehört auch der Anspruch der besseren Gerechtigkeit an uns als Christenmenschen.

Die Mitverantwortung für die Welt – gerade aus dem Glauben heraus.

Allerdings: Das meint nicht gnadenlose Selbstausbeutung, sondern Weltverantwortung im Lichte von Gottes unbedingter liebevoller Zuwendung zu dieser Welt. Dafür steht Jesus, der Prediger auf dem Berg, selbst ein. In diesem Licht soll die Welt sich verändern, und nicht zuletzt durch das Wirken von Christinnen und Christen. Denn das Licht der Welt leuchtet nicht an unseren Köpfen und Herzen und Händen vorbei. Es will in und mit und durch sie hindurch leuchten. So werden wir in Anspruch genommen.

Und doch gibt es auch Grenzen. Positiv gewendet, werden die, die zum Licht der Welt berufen sind, davon befreit, nun aber auch alles öffentlich tun zu müssen. Es gibt Dinge, die allein zwischen Gott und Mensch zu klären sind: die Zwiesprache, in der wir Gott ins Gebet nehmen und offen für seine Antwort werden, zählt dazu. Das Almosen-Geben, bei dem Menschen so leicht beschämt werden – und auch das Fasten: dieser Weg, sich auf das Wesentliche zu besinnen, eigene Gewohnheiten uns Selbstverständlichkeiten infrage zu stellen und Freiheit zu gewinnen.

Nicht alles gehört in die Öffentlichkeit, es gibt auch einen notwendigen Schutzraum des Menschen, unveräußerlich und Inbegriff der Freiheit des Glaubens, in die niemand herein zu reden hat. Nur so ist tatkräftige Gestaltung überhaupt möglich, und nur so werden wir davor geschützt, uns selbst zu überheben.

Im Evangelium für heute heißt es: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“

Darum geht es am Ende: Uns zu fragen und zu unterscheiden, woran unser Herz wirklich hängt. Was Du liebst, das lebst Du. Wo dein Schatz ist, da ist dein Herz. Und wo dein Herz ist, da ist dein Gott. Das Trauen und Glauben des Herzens macht beide, Gott und Abgott.

Also: Woran hängen wir nun tatsächlich unser Herz und unsere Liebe? Wer ist es, den unser Trauen und Glauben zum Gott oder Abgott machen? Ich bin davon überzeugt: Wo wir es an den Gott hängen, da werden wir frei von uns selbst und frei für diese Welt und ihre Menschen. Frei zum mutigen Eintreten für das, was dem Leben dient.

„7 Wochen ohne Vorsicht – Riskier was, Mensch!“ – heißt die Fastenaktion der

Evangelischen Kirche in Deutschland in diesem Jahr. „7 Woche anders leben“ sagt der Verein „Andere Zeiten“ hier in Hamburg. Und wir Christinnen und Christen in der Nordkirche begehen unsere erste gemeinsame Passionszeit

unter einem Motto, das für mich die beiden Themen zusammenfasst: „7 Wochen MIT Produkten aus Fairem Handel und der Region“ – wir wollen anders leben, MIT Verantwortung, und zwar dauerhaft, weil das der MIT- Welt, dem MITMenschen und den MIT-Geschöpfen dient. Und wir sind bereit, dafür etwas zu riskieren, nämlich dass dieser neue Weg mit persönlichen Veränderungen und Verzicht verbunden ist – denn allem Ermessen nach wird und muss er das sein. Wir riskieren, dass wir wirklich und wahrhaftig umdenken – nicht nur für die kommenden vierzig Tage und nicht nur im kirchlichen Binnenraum,

sondern dauerhaft und weltweit. Wir riskieren, dass wir Bequemlichkeiten aufgeben und Lebensmittel teurer werden, weil wir erkennen, dass sie buchstäblich „Wert-Voll“ sind: Schokolade, Tee und Kaffee, Fleisch und Gemüse, Brot, Reis und vor allem auch Wasser.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

sieben Wochen MIT. Mit Verantwortung für die MIT-Welt, MIT-Menschen, MITGeschöpfe.

Ich buchstabiere mir das so:

ich verzichte sieben Wochen lang darauf, nicht nachzufragen, woher meine Lebensmittel kommen.

Ich verzichte sieben Wochen lang darauf, nicht nachzuschauen, wo meine Kleidung produziert wird.

Ich verzichte sieben Wochen lang darauf, so zu tun, als ginge mich das alles nichts an.

Aber ich verzichte sieben Wochen lang auch nicht darauf, mich zu fragen, warum sich etwas ändern muss und warum ich mich ändern muss.

Und darauf bin ich besonders gespannt: Wie wir darüber ins Gespräch kommen heute und in den kommenden Wochen, worauf wir besonders achten auf diesem Weg, welche neuen Erkenntnisse über Zusammenhänge wir gewinnen und welche alltagstaugliche Lösungen wir finden und auch welche Kompromisse wir schließen müssen.

Wie das gelingen kann? Wohl so, dass wir uns gegenseitig erinnern an die Wahrheit des Evangeliums: „Wo dein Schatz ist, da ist auch Dein Herz“. Amen.

Gothart Magaard, Bischofsbevollmächtigter im Sprengel Schleswig und Holstein